PRESSESTIMMEN "MONO SUBJECTS"

"Thomas Lehmen spielt gern und spielt gern vor. In den letzten Jahren führte sein Weg in der Tanzlandschaft zu recht steil nach oben: Das letzte Solo "distanzlos" gehörte zu den international erfolgreichsten Stücken der freien deutschen Szene. In diesem Jahr arbeitet Lehmen als artist- in - residence im Berliner Podewil, einer freien Aufführungsstätte und "mono subject" ist das erste in diesem Rahmen zu Ende gebrachte Stück. Doch halt, nein, - haben wir den gar nichts begriffen? Das Ende selbst taugt gerade mal als Witz, der den Blick aufs Kommende, nämlich weitere Performances über die Performance von Performances eröffnet: mono subject ist wahrscheinlich die erste Uraufführung, die mit dem Verlesen ihrer Kritik endet."
Constanze Klementz (Kieler Nachrichten 12.04.01)

"Der Mann redet viel. Er steht auf der Bühne und sagt, was er tut. Ganz unverblümt und gerade heraus. Vielleicht durchleuchtet er noch die eine oder andere Stimmungslage, die ihn da vorne Auge in Auge mit den Zuschauern befällt. Er teilt sich mit. Er spricht über das, was ihn bewegt. Schließlich ist der Mann Tänzer. Ein Tänzer, der denkt, der, wie er es selbst ausdrückt, "hinter die Bewegung zu blicken versucht" und dabei seinem Publikum sagen will": Das ist es, was ihr seht, nichts weiter."
Der 38jährige Lehmen begreift sich immer noch als "Handwerker", der stets den Tänzer auf die Bühne stellt. Und wenn der Choreograph, wie jetzt in seinem neuesten Stück "mono subject", zusammen mit weiteren Tänzern (Maria Clara Villa-Lobos, Gaetan Bulourde) arbeitet, dann verweigert er Vorgaben, die möglicherweise Projektionen erzeugen können, um an etwas heranzukommen, das er mit "Wahrheit" bezeichnet."
Äußerst präzise beobachtet sind Lehmens hoch sensible Bewegungsstudien, die mit einem feinsinnigen gesponnenen Gedankengebäude im ständigen Dialog stehen."
Irmela Kästner (die tageszeitung /Hamburg 17.05.01)

"Lehmen verfolgt in seiner Arbeit ganz existenzielle Ziele. Letztlich geht es ihm um das Sein des Performers, der einzig sich selbst ausstellt, befreit von rollen und Stildiktionen. Was ist wahr, was inszeniert, was real im theatralen Kontext? Bestechend einfach geht der Wahlberliner in seinen Choreographien die Frage an, um sie in einem komplexen Gefüge um Identität, Original und Fälschung intelligent zu verdichten.
Doch Lehmen kokettiert nicht. In seiner verbindlichen Haltung liegt eine Menge Wahrheit.
Und seine Stärke als Choreograph und Performer, aus der er immer wieder erfrischend neue Bewegungen schöpft."
Irmela Kästner (die tageszeitung /Hamburg 19.05.01)

"Solche Skepsis gegenüber dem Tanz als Unmittelbarkeitsbehauptung hegt auch der Berliner Performenskünstler Thomas Lahmen. Seit Anfang dieses Jahres "artist in residence" im Podewil, wo sein Stück " mono subject" fertiggestellt wurde, wählt Lehmen indessen einen anderen Weg der Selbstbefragung.
Hier soll nichts kreiert, keine Emotionen erzeugt und kein Thema verarbeitet werden. Wir sehen den nachträglichen Bericht eines Echtzeitvorgangs und zugleich ein donquichotteskes Bewegungs-Referat, einen luziden Kampf gegen die Windmühlen der Aufführungskonventionen. Mit "mono subject" aber soll gerade der unhintergehbare Rest gesucht werden, die problemfreie, rein materielle Zone der Bühne, sozusagen der grüne Rasen vor dem Bundesligaspiel. Und darin begegnen sich bei aller Gegensätzlichkeit in Stil und Form Khan und Lehmen, die quecksilberhafte Flüchtigkeit der Tanzbewegung und die konzeptionelle Tanzverweigerung: für beide ist die Selbstverständlichkeit verloren.Der Glaube an einen verborgenen Kern aber bleibt in die Bildwelt der Bühne eingesenkt. So gesehen ist Europa - oder vielmehr der Westen - eben doch nicht "out", sondern kann sich gerade mit seinem bisweilen hysterischen Problembewusstsein behaupten."
Franz Anton Cramer (Frankfurter Allgemeine 17.04.01)

" Artig stellt Lehmen zu Beginn seine Mitspieler inklusive des Lichttechnikers vor und beschreibt den Raum mitsamt seinem Inhalt. Jeder ist was er ist. Der Raum ist der Raum und sonst nichts. Keine verklärenden Illusionen soll hier aufkommen. Überraschungen ausgeschlossen. Deshalb zeigt uns Maria Clara Villa - Lobos in einem Prolog gleich alle Bewegungen im Schnelldurchlauf, die im Stück vorkommen werden. Am Ende wiederholt sie sie noch einmal. Doch da haben sich schon längst Zweifel eingeschlichen. Hat man wirklich alle Bewegungen, die Villa - Lobos hier isoliert, um sie flink wieder in Fluß zu bringen, auch vorher gesehen?
Maria Clara Villa - Lobos lässt ihre Kollegen eine Jazztanz - Routine üben, spielt mit Lehmen " die nackte Wahrheit", ein Spiel, bei dem ihr Partner nur die Wahrheit sagen darf. Doch ob er wirklich einmal in London als Stripper gearbeitet hat, bleibt sein Geheimnis. Zwischen den einzelnen Szenen kehren die drei immer wieder zur Bühnenrückwand zurück, wo sie zum Auftanken kräftig in die Seiten von drei Elektrobässen greifen. Körperhaltungen werden beschreiben, um von den anderen nachgeahmt zu werden, aber das Resultat ist erwartungsgemäß alles andere als identisch mit dem Original. Während der Raum sich verdunkelt, beschreibt Gaetan Bulourde mit dem Rücken zum Publikum stehend am Ende noch einmal das, was er sieht. Doch was sieht man wirklich im Dunkeln."
Gerald Siegmund ( Frankfurter Allgemeine 24.03.01)